Wir hören immer wieder Aussagen wie: „Ich würde mich ja gerne intensiv um die Buchhaltung und das Controlling kümmern, aber mir fehlt die Zeit. Da lasse ich diese Sachen lieber Mitarbeiter machen und setze meine Priorität auf den Vertrieb.“ Grundsätzlich kann man verstehen, warum insbesondere Startups so denken. Die Zeit zwischen Unternehmensgründung und Break Even ist anstrengend und es gibt zahlreiche Baustellen, die im Auge behalten werden müssen.
Aber was passiert, wenn die Geschäftsführung die Zahlen nicht ausreichend priorisiert?
Risiken durch einen zu „entspannten“ Umgang mit den Unternehmenszahlen
1. Zukünftige Entwicklungen werden nicht oder zu spät erkannt
Wer sich regelmäßig mit seiner Buchhaltung sowie seinen Kennzahlen auseinandersetzt und diese zusammen mit der Unternehmensstrategie in regelmäßige Finanz-Forecasts einfließen lässt, wird immer ein aussagekräftiges Bild über die IST-Situation und die Situation in den kommenden Monaten haben. So können z.B. Liquiditätsengpässe früh erkannt, Investitionsentscheidungen validiert oder Personalplanungen aufgestellt werden. Also so zeitig wie möglich Maßnahmen eingeleitet werden, um die langfristigen Ziele zu erreichen.
Ohne dieses Wissen kann das Unternehmen unbemerkt „vom Kurs“ abkommen und gegebenenfalls ist es zum Zeitpunkt, zu dem die Schieflage offensichtlich wird, zu spät um das Ruder noch ohne Verluste herumzureißen.
2. Fehler und Unregelmäßigkeiten werden nicht entdeckt
Niemand ist unfehlbar, auch der Buchhalter und der Steuerberater nicht! Viele Unternehmer neigen zu einem blinden Vertrauen gegenüber diesen Berufsgruppen, welches leider nicht immer gerechtfertigt ist. Auch diese sind ganz normale Dienstleister, welche gewechselt werden können.
Wussten Sie, dass Sie in Deutschland als Geschäftsführer dafür verantwortlich sind, eine eventuelle Zahlungsunfähigkeit Ihres Unternehmens festzustellen? Zahlungsunfähig ist, wer über einen Zeitraum von 3 Wochen mindestens 10 % seiner fälligen Verbindlichkeiten nicht begleichen kann. Was schätzen Sie, wie viele Unternehmer dies überprüfen, sofern keine Anmerkung vom Steuerberater kommt? Unwissenheit schützt jedoch auch hier nicht vor Strafe!
Zudem kann das Vertrauen, welches Buchhaltern entgegengebracht wird, im Extremfall zur Entwicklung krimineller Energien führen. Hier sei auf den spektakulären Fall der Buchhalterin verwiesen, die bei Lieferando rund 665.000€ veruntreut hat.
3. Es fehlen „echte“ Entscheidungsgrundlagen
Der Glaube, das eigene Geschäft „aus dem Bauch heraus“ steuern zu können, erweist sich im Großteil der Fälle als Fehler! Im besten Fall führt dies nur zur Stagnation bzw. einem deutlich verlangsamten Wachstum durch verpasste Chancen. In wettbewerbsstarken Branchen wird man hingegen auch schnell abgehängt, wenn sich das Bauchgefühl mal als falsch heraus stellte.
Natürlich sind Zahlen hier kein Allheilmittel. Trotzdem sollten sie zur Unterstützung herangezogen und als Zielgröße genutzt werden. Erstens kann so eine objektivere Entscheidungsgrundlage geschaffen und zweitens eine unverfälschte Kontrolle der Ergebnisse ermöglicht werden.
Die Zeit ist knapp, was muss ich mir zwingend anschauen?
1. Buchhaltung
Es ist nicht nötig, jeden Beleg zu kennen, aber die regelmäßigen Buchhaltungsauswertungen (Betriebswirtschaftliche Auswertung – BWA, Summen- und Saldenliste, Opos-Listen usw.) sollten auf jeden Fall geprüft werden.
- Können die Beträge nachvollzogen werden?
- Sind Schwankungen zu den Vormonaten zu erkennen?
- Sind die ausgewiesenen Beträge der Forderungen und Verbindlichkeiten korrekt?
- Passen BWA und Kontobewegung zu dem, was „gefühlt“ im Unternehmen passiert?
Oder kurz: Verstehe ich alles was in den Auswertungen steht? Wenn nicht, nachfragen! Nervt vielleicht am Anfang, lohnt sich aber! Mit ein wenig Übung entwickelt man hier den Blick für das Wesentliche und erspart sich zudem die Aufarbeitung von 12 Monaten zum Jahresabschluss.
2. Kennzahlen
Hier gilt: „Weniger ist mehr“! Mit den richtigen Kennzahlen behält man die wesentlichen Punkte im Blick und muss nur bei Abweichungen oder Schwankungen in die Tiefe gehen. Welche Kennzahlen zu wählen sind, hängt stark vom Geschäftsmodell ab. Sinnvoll sind zudem Kennzahlen aus verschiedenen Bereichen, z.B. Personal, interne Prozesse, Kunden und Finanzen.
Es muss also explizit kein Fokus auf reine Finanzkennzahlen wie Gewinn oder ROI gelegt werden! Es gibt zahlreiche nichtmonetäre Erfolgsfaktoren, die ein Unternehmen beeinflussen. Diese stehen zumeist in keiner mathematischen, sondern kausalen Verknüpfung zum wirtschaftlichen Erfolg.
Die Qualifikation der Mitarbeiter soll verbessert werden (Mitarbeiterperspektive), damit diese Kundenanfragen schneller und kompetenter beantworten können (interne Prozesse) und somit der Kunde zufriedener wird (Kundenperspektive). Langfristig erhöht dies die Wahrscheinlichkeit, dass der Kunde seinen Vertrag immer wieder verlängert. (Finanzperspektive)
3. Planung
Finanzplanungen werden in der Realität häufig leider nur genutzt, um auf Investorensuche zu gehen oder bestehende Investoren zu beruhigen. Dabei werden leider einige Chancen und Risiken übersehen.
In regelmäßigen Abständen sollte eine interne Finanzplanung erstellt und als Basis für den Soll-Ist-Vergleich genutzt werden. Nur so können Abweichungen erkannt und hinterfragt werden. Zudem ist es sinnvoll, ebenfalls regelmäßig auf den neusten Erkenntnissen anzusetzen und einen sogenannten Forecast für die nächsten sechs bis 12 Monate zu erstellen.